Das Symposion "WER BIN ICH? WER SIND WIR? WER SIND DIE ANDEREN? IDENTITÄTEN & IDENTITÄTSPOLITIKEN" findet ausschließlich online statt.
Ulla Ebner führte für die Ö1-Sendereihe „Digital.Leben“ ein Interview mit Martina Kainz zur Stärkung von Frauen in Benin durch Handynutzung für die Ausgabe „Afrika: Smartphone und Frauen-Power“ (Ausstrahlung: 01.12.2021, 16:55).
Auszüge aus dem Vortrag von Terje Tüür-Fröhlich über E-Estonia wurden Bestandteil der Sendung E-Estonia: digitaler Ausweis, Online-Wahlen und Start-Ups der Reihe "Digital.Leben" auf Ö1.
Kommentare und Nachfragen gerne an: martina.kainz[klammeraffe]gmx[punkt]at.
Bildcredits: Martina Kainz
Musik: Gustavo Ovalles
PDF mit Inhaltsverzeichnis und Literaturliste
Picture credits: Fidan Senova
Daniela Giacomuzzi was kind enough to organize a virtual panel to discuss the subjects of Fidan Senovas lecture:
Participants:
In Estland wird problemlos Altes mit (Ultra)Modernem verbunden: Frau auf Kihnu in traditioneller Alltagstracht vor dem einzigen Laden der Insel – dieser bietet aber kostenloses WiFi an.
Bildcredits: Elle Mets
Kommentare und Nachfragen gerne an: martina.kainz[klammeraffe]gmx[punkt]at.
Bildcredits: Martina Kainz
Musik: Edwin Kainz
PDF mit Ergänzungen und Literaturliste
Auch bei gefährlichen Einsätzen gab es Momente, in denen Oskar Lehner Zeit für eine Tasse Kaffee hatte.
Er freut sich über Kommentare & Fragen zu seinen Vortrag via oskar_lehner[klammeraffe]yahoo[punkt]de.
Seine Reiseberichte können auf seinem Blog nachgelesen werden: https://www.oskarlehnertravel.news/
Bildcredits: Oskar Lehner
Bildcredits: Regina Tauschek
Regina Tauschek hat zum Thema ihres Vortrags zusätzlich einen Beitrag auf ihrem Blog verfasst:
Das Zelt: ein Spiegel des sozialen Lebens der Beduinen.
Auf einen Oberarm tätowierte Sozialversicherungsnummer (1939)
Bildcredits: Dorothea Lange
Die Kontaktadresse von Anton Tantner findet sich auf seiner Homepage: tantner.net
visual concept by Ingrid Ott : fraganzy.com
Noch nie war so oft von "Identität" die Rede, von der "Störung" der Identität einer Dorfgemeinschaft z.B. durch den Kauf eines Hauses durch eine Migrant:innenfamilie. Auch die Werbung verspricht uns beim Kauf einer bestimmten Marke gehobene Identität (Gemeinschaftsgefühle und zugleich Distinktion).
In traditionalen Gesellschaften war die "Wir-Ich-Balance" (Norbert Elias) noch stark auf der Seite des "Wir": Stand, Geschlecht, Familienstand, ja die Geschwisterposition (je nach Erbrecht) determinierten weitgehend erlaubte Kleidung, Haartracht, Verhaltensweisen und Lebensperspektive, eingebettet durch strukturierte Zeit (religiöse Feste und Brauchtum). Identitätsprobleme müssten virulent werden, wenn
In modernen und noch stärker in (post-modernen) Gesellschaften sind wir (zumindest Teile der Mittelschichten) "zur Freiheit verdammt" (Sartre). Diese Wahlfreiheit mag Stress bewirken. Der Trend vom eher fremdzwang- zum eher selbstzwang-orientierten Verhalten, im Wandel der "Wir-Ich-Balance" in Richtung zum "Ich", zur "Ich-AG" mag ambivalente Sehnsüchte nach Geborgenheit und Sicherheit, aber auch nach Aufregung und Abenteuer wecken. Meinte Emil Durkheim, die Arbeitsteilung der Berufsgruppen (Bäcker brauchen Müller und Tischler und umgekehrt) würde zu "organischer Solidarität" führen (ähnlich schrieb auch Norbert Elias den "Interdependenzen" zivilisierende Effekte zu), so scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Jede kleinste angeblich oder tatsächlich vorhandene Gemeinsamkeit zwischen Individuen kann zu einer (oft nur virtuellen) Gruppenbildung führen, die lautstark Identitätspolitik betreiben möchte, bzw. ihre Wortführer:innen.
Appelle an das Gemeinwohl, an ein Verständnis von Politik als Ausgleich von Interessen, ja sogar an universelle Menschenrechte werden vielfach brüsk zurückgewiesen. Bots und Big Data befördern diese irritierenden Entwicklungen: Musste früher ein Demagoge die Ambiguität der Sprachen geschickt nutzen, um unterschiedliche Zielgruppen mit divergierenden Interessen anzusprechen, können nun maßgeschneiderte, völlig konträre Parolen und Wahlversprechen an die jeweiligen identifizierten Personen bzw. Gruppen gesendet werden. Wieviel bleibt da vom politischen Subsystem à la Niklas Luhmann bzw. vom politische Feld à la Pierre Bourdieu noch übrig? Damit soll keineswegs die Berechtigung von deprivierten, diskriminierten Gruppen, sich zu organisieren und für ihre Interessen zu kämpfen, in Frage gestellt werden. Doch vielfach (wie schon früher etwa im Feld der Bürgerinitiativen) sind es gerade die bereits ohnehin eher Privilegierten, mit den nötigen Verbindungen, die erfolgreich Identitätspolitik betreiben (und nicht selten damit auch ihre Karriere fördern). Wenn sich die persönliche bzw. Gruppen-Identität in Abgrenzung zu den "Anderen", zu den "Fremden" konstituiert, oft in feindseliger Abwertung künstlich überhöhter Unterschiede, und dies durch die jeweilige Identitätspolitik noch zusätzlich symbolisch und ideologisch verstärkt wird, sind (zivilisierte) Konflikte nicht mehr ein positives Moment von Vergesellschaftung. Ganz überspitzt formuliert: Das Inzesttabu (Talcott Parsons) war ja kein genetisches Inzesttabu, sondern eine Exogamie-Regel: Wir sollten außerhalb unserer eigenen Gruppe heiraten, damit letztlich größere Vergesellschaftszusammenhänge entstehen, erhalten bleiben, ausgeweitet werden können.
Der heutige Trend zu immer mehr Identitätspolitik, v.a. in den USA, könnte quasi metaphorisch als "Inzestpolitik" kritisiert werden. Sowohl die Ablehnung "hegemonialer Identitätspolitiken" als auch die Befürwortung der Förderung "marginalisierter Identitäten" geht zu oft von stabilen und eindeutigen Identitäten aus.
Uns interessiert die Frage nach den (sozial-)psychologischen Grundlagen heutiger Identitäten: Wie stark verbreitet sind tatsächlich homogene Identitäten, die sich bedroht fühlen, oder können Individuen (wie schon früher die soziologische Rollentheorie annahm) relativ konfliktfrei und ohne größere psychische und soziale Kosten etliche Habitusformen leben? Wie etwa der kritische Bourdieu-Schüler Bernhard Lahire mit seinem Konzept der "pluralen Habitus" meint?
Wir wollen diese Frage gerade auch am Beispiel von Beduinen in Jordanien untersuchen. Des weiteren interessieren uns die Widersprüchlichkeiten und Konflikte, mit denen intergeschlechtliche Menschen umgehen müssen, aber auch Identitätskonflikte (traditionale Rollenzwänge versus informationelle und wirtschaftliche) Autonomisierung von Frauen im ruralen frankophonen Afrika - gerade auch im Zusammenhang mit Digitalisierungsprozessen. In Estland wurden diese bereits vor Jahrzehnten in Gang gesetzt, weshalb das Land immer als Vorbild gilt – wir fragen danach, wie sich diese auf Frauen ausgewirkt haben.
Diese Themen haben wir ausgesucht, weil wir Referent:innen gefunden haben, die jeweils Zugänge zu den betroffenen Personen bzw. Gruppen haben. Abschließend wollen wir gemeinsam die Handlungserfordernisse von Identitätspolitiken für politische Bildung diskutieren. Vor allem geht es darum, Identitäten nicht als starre Gegebenheiten zu begreifen, sondern mit Ernst Bloch (Prinzip Hoffnung) zu sagen: "Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst."
Leseempfehlung:
Kainz, Martina (2018): Globale Vernetzung — globale Identität? Kulturelle Identitätskonstruktionen im Zeitalter digitaler Technologien, Reihe „Webwissenschaft“ Bd. 1. Glückstadt/D: vwh., ISBN 978-3-86488-131-2
Identitätstheorien im digitalen Raum (Erving Goffman)
Das Individuum konstruiert – laut dem kanadischen Soziologen Erving Goffman (1922 – 1982) – seine Identität durch Interaktion mit anderen, insbesondere aber durch Selbst-Präsentation auf einer imaginären Bühne (vgl. "Wir alle spielen Theater"). Angesichts von Milliarden NutzerInnen sozialer Netzwerke, die mit Selfies auf Instagram oder Facebook quasi als "Geschäftsführer ihrer eigenen Identität" agieren, lässt sich das theoretische Konzept von Goffman auf die neuen Rahmenbedingungen virtueller Selbstdarstellung anwenden. Viele seiner zentralen Termini wie "Fassade" und "Maskierung" oder auch "Impression Management" haben eine neue, wenn auch beklemmende Aktualität erreicht.
Ebenso ist es erkenntnisreich, die Thesen des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan (1901 – 1981) auf ihre Übertragbarkeit in den virtuellen Raum zu überprüfen: Das so genannte "Spiegelstadium", in dem das Kleinkind durch Betrachten seines Spiegelbildes die eigene Identität erkennt, kann auf viele Formen virtueller Kommunikation übertragen und erweitert werden. So stellt sich in diesem Kontext u.a. die Frage, wie sich die Identität eines Subjekts angesichts der irritierenden Wahrnehmung seines Selbstbildnisses in ZOOM-Konferenzen konstituiert oder welche Folgen die im Rahmen virtueller Kommunikationsprozesse praktizierte narzisstische Selbstbetrachtung (für z.B. über 1 Mrd. Instagram-NutzerInnen weltweit) nach sich zieht.
... als ich mich im Herbst 1994 während einer Patrouille-Fahrt in einem entlegen Weiler im Hochland von Rwanda bückte, um eine Maiskolben aus der Glut zu holen, verbrannte ich mir die Finger. Die Einheimischen, die um das Feuer hockten, quittierten meinen Schmerzensschrei mit lautstarker Diskussion. Verunsichert fragte ich meinen Übersetzer, was ich was falsch gemacht hatte? ...ein Tabu gebrochen? ....mit der falschen Hand ins Feuer gegriffen...? Nein hätte ich nicht, klärte mich der Übersetzer auf. Die Männer waren nur überrascht, dass ich als "Weißer" Schmerz fühlte, wenn ich ins Feuer griff.
Jahrhunderte von kolonial-rassistischer Indoktrination, dass der "weiße Kolonialherr" quasi übermenschliche Kräfte besäße, unbezwingbar sei und ihm selbst das Feuer nichts anhaben könnte, sind an diesem denkwürdigen Abend an einem einfachen Fakten-Check zerbröselt.....
Abschlussdiskussion: Identitätspolitiken und Politische Bildung
Wissenschaftliche Leitung: a.Univ. Prof. i.R. Dr. Gerhard Fröhlich
Kontakt: gerhard(dot)froehlich(at)jku(dot)atKonzept und Organisation: Claus Harringer, Gerhard Fröhlich
Teilnahmebeitrag: keiner
Veranstalter:
Kulturinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz (JKU) im Rahmen des Schwerpunktprogrammes „40 JAHRE KULTURINSTITUT, 40 JAHRE WUNSCHERFÜLLUNGSINSTITUTION“, gefördert vom Land Oberösterreich und der Landeshauptstadt Linz
Dank an:
Buchhandlung Fürstelberger/Linz, Oberbank, Institut für Kulturwirtschaft und Kulturforschung, AG Kulturphilosophie und Wissenschaftsforschung im Hochschulverband Informationswissenschaft (HI), Sektion Kulturtheorie und Kulturforschung der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie (ÖGS), Österreichische Gesellschaft für Dokumentation und Information (ÖGDI)Gefördert von der Österreichischen Gesellschaft für Politische Bildung und dem Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs (VWGÖ).
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